Warum biete ich keine Behandlung mit Exosomen an?
Ich werde oft gefragt, warum ich keine Exosomenbehandlung anbiete. Denn obwohl ich dafür bekannt bin, Therapien zu schätzen, die auf den regenerativen Kräften des eigenen Körpers beruhen, biete ich in meiner Praxis derzeit keine Exosomenbehandlungen an.
Warum?
Der Begriff Exosomen klingt nach Hightech-Regeneration – winzige Vesikel, mit denen Zellen Signale und Wachstumsfaktoren austauschen. In der Grundlagenforschung spielen sie eine wichtige Rolle bei der Zellkommunikation, Regeneration und Wundheilung. Es ist daher nachvollziehbar, dass viele Patienten hoffen, Exosomen könnten in der ästhetischen Medizin den nächsten großen Durchbruch bringen.
Doch der aktuelle Stand der Forschung, die fehlende Standardisierung und der regulatorische Rahmen geben dieser Hoffnung bislang wenig Substanz. Dass Hersteller kosmetischer Präparate und sogenannter „Medizingeräte“ bereits das Gegenteil behaupten, überrascht kaum – schließlich lebt die Branche von neuen Trends und Versprechen.
Was sind Exosomen – und warum sind sie so interessant?
Exosomen sind winzige, von Zellen abgeschnürte Partikel, die Proteine, Lipide und genetisches Material (RNA) enthalten. Sie fungieren als Boten zwischen Zellen und können Regenerationsprozesse, etwa die Kollagenproduktion, anstoßen.
In Laborstudien wurden beeindruckende Effekte beobachtet – zum Beispiel bei Wundheilung, Entzündungshemmung oder Hautregeneration. Diese Ergebnisse sind spannend, stammen aber bislang nicht aus klinischen Studien am Menschen.
Humane und pflanzliche Exosomen – ein entscheidender Unterschied
Wenn heute von „Exosomen“ gesprochen wird, ist Vorsicht geboten. Denn es gibt zwei grundverschiedene Gruppen:
1. Pflanzliche oder biotechnologisch hergestellte Exosomen
Diese stammen aus Pflanzenextrakten – etwa aus Seetang, Rosen, Karotten oder Ingwer. Chemisch ähneln sie menschlichen Exosomen, biologisch sind sie jedoch etwas völlig anderes. Sie dienen in Kosmetika meist als Transportvehikel für Wirkstoffe, um Cremes oder Seren besser in tiefere Hautschichten zu schleusen.
Was sie nicht tun: die Haut nachweislich verjüngen oder echte Regeneration auslösen.
2. Humane oder allogene Exosomen
Diese werden aus Spenderzellen wie Nabelschnur-, Fett- oder Knochenmarkzellen gewonnen. Sie stehen im Mittelpunkt aktueller medizinischer Forschung, sind aber weder in der EU noch in den USA für ästhetische Anwendungen zugelassen.
Fast alle „Exosomenbehandlungen“, die aktuell angeboten werden, beruhen daher nicht auf humanen Exosomen, sondern auf pflanzlichen, exosomen-ähnlichen Nanopartikeln. Diese werden oft mit denselben Versprechen beworben, obwohl ihre biologische Wirkung eine andere ist.
Aktueller Stand in Forschung und Regulierung bei humanen Exosomen
Präklinische Erfolge – aber keine klinische Evidenz
Bis heute gibt es kein einziges zugelassenes Exosomenprodukt für medizinische oder kosmetische Anwendungen.
Zwar zeigen Studien an Zellkulturen und Tiermodellen, dass Exosomen aus mesenchymalen Stammzellen die Wundheilung, Kollagenbildung und Narbenreduktion beschleunigen können. Diese Befunde sind ermutigend, aber ausschließlich präklinisch – sie belegen eine biologische Aktivität, keine klinisch nachgewiesene Wirkung beim Menschen.
Fehlende Standards und Risiken
Es existieren keine standardisierten Herstellungsverfahren.
Unklar bleibt, welche Zellquelle, Konzentration oder Dosierung optimal ist. Ebenso wenig ist geklärt, welche Risiken bestehen, etwa Immunreaktionen oder Übertragungsrisiken bei allogener Herkunft.
Diese Unsicherheiten erschweren den Vergleich zwischen Studien und verhindern eine belastbare klinische Anwendung.
Regulatorischer Graubereich
In den USA stuft die FDA Exosomen als biologische Arzneimittel ein, die eine vollständige Zulassung benötigen – bislang hat kein Produkt diesen Prozess durchlaufen.
In Europa gilt dasselbe Prinzip: Exosomen aus menschlichem oder tierischem Gewebe dürfen nicht als kosmetische Wirkstoffe verwendet werden.
Folglich beruhen alle im Handel befindlichen „Exosomenprodukte“ auf pflanzlichen Vesikeln, nicht auf echten humanen Exosomen.
Pflanzliche exosomen-ähnliche Nanopartikel – Forschung mit Grenzen
Mehrere präklinische Studien berichten über positive Effekte pflanzlicher Vesikel:
Sie fördern in Zellkulturen und Tiermodellen die Zellmigration, Wundheilung, antioxidative Aktivität und Entzündungsregulation. Besonders untersucht wurden Vesikel aus Aloe Vera, Trauben, Ingwer und Algen.
ABER:
- Kein einziger Humanversuch konnte bisher regenerative Wirkungen beim Menschen nachweisen.
- Die Studien unterscheiden sich stark in Qualität und Methodik – es fehlen standardisierte Isolationsverfahren, Reinheitsnachweise und Dosisangaben.
- Die Übertragbarkeit auf die menschliche Haut bleibt ungewiss.
Pflanzliche Exosomen-ähnliche Nanopartikel sind den Studien nach vor allem als Carrier-Systeme für Wirkstoffe interessant – nicht als eigenständige regenerative Therapie. Ihr größter Vorteil liegt derzeit in Stabilität und Hautverträglichkeit, nicht in nachgewiesener biologischer Wirkung.
„Exosomen aus PRP“ – wissenschaftlich nicht belegt
Einige Anbieter werben inzwischen damit, Exosomen direkt aus Eigenblutplasma (PRP) zu gewinnen. Da PRP-Behandlungen in meiner Praxis einen hohen Stellenwert haben, wäre das ein faszinierender Ansatz – wenn er wissenschaftlich fundiert wäre.
Zwar enthält PRP tatsächlich extrazelluläre Vesikel, darunter auch exosomenähnliche Partikel, die von Blutplättchen freigesetzt werden. Doch:
- Das Verhältnis echter Exosomen zu anderen Vesikeltypen ist nicht standardisiert.
- Die biologische Aktivität hängt stark von der Aufbereitung des PRP ab.
- Es gibt keine klinischen Studien, die zeigen, dass „PRP-Exosomen“ zusätzliche Effekte gegenüber herkömmlichem PRP haben.
- Verfahren, die angeblich durch Hitze oder Licht Exosomen „stimulieren oder freisetzen“, sind biologisch nicht plausibel.
Mehrere Übersichtsarbeiten betonen: PRP kann zwar theoretisch eine Quelle extrazellulärer Vesikel sein, die klinische Wirksamkeit isolierter Partikel ist jedoch nicht belegt.
Solange keine unabhängigen Humanstudien vorliegen, bleibt PRP das, was es nachweislich ist: ein autologes Konzentrat körpereigener Wachstumsfaktoren, nicht eine Exosomenquelle im eigentlichen Sinn.
Fazit: Forschung spannend – Anwendung noch Zukunftsmusik
Wie oben dargestellt, gilt:
- Humane Exosomen sind wissenschaftlich hochinteressant und zeigen in präklinischen Modellen großes Potenzial – sie sind jedoch noch nicht als Therapie verfügbar.
- Pflanzliche Exosomen-ähnliche Nanopartikel sind zwar bereits in kosmetischen Produkten enthalten, aber bislang nicht klinisch belegt in ihrer regenerativen Wirkung.
- Exosomen aus PRP sind ein wissenschaftlich schwach fundiertes Konzept ohne überzeugende Datenbasis.
Daher:
Ich biete in meiner Praxis bis auf Weiteres keine Behandlungen mit Exosomen an. Ich verfolge die wissenschaftliche Entwicklung jedoch mit großem Interesse und werde Exosomenverfahren in mein Behandlungsprogramm aufnehmen, sobald überzeugende klinische Daten, standardisierte Verfahren und regulatorisch sichere Zulassungen vorliegen.

