Botox in der Schwangerschaft?

Botox-Risiken für Mutter und Kind

Ist Botox in der Schwangerschaft tabu? Kann es das Baby schädigen, Frühgeburten auslösen oder gar zum Abort führen? Das sind wichtige Fragen, die sich Schwangere zu Recht stellen. Und wer sein Baby stillen möchte, für den sind sie auch nach der Geburt noch relevant. Ich will versuchen, sie im folgenden Text so gut es geht zu beantworten.

Das sind die Themen:

Warum nicht einfach bleiben lassen?

Die naheliegende Frage

Eine Frage drängt sich sofort auf: Warum Botox nicht einfach bleiben lassen, wenn man schwanger ist? Sollte das nicht eine leichte Entscheidung sein? Aber so trivial wie sich das anhört, ist es oft leider nicht. Oder nicht mehr. Denn schon lange geht es bei Botox nicht mehr nur um Falten. Andere medizinische Anwendungen sind ebenso wichtig geworden. Mit Botox werden aktuell eine ganze Reihe von Störungen behandelt. Neben Spasmen und Dystonien unter anderem Zähneknirschen, starkes Schwitzen und chronische Migräne. Ein Absetzen von Botox bedeutet bei diesen Leiden fast immer eine Verschlimmerung.

Botox oft wichtige Medikation

Während kosmetisches Botox leicht abgesetzt werden kann, um Risiken aus dem Weg zu gehen, ist das in vielen anderen Fällen nicht so. Umso mehr, als Botox auch Störungen lindert, der im Verlauf einer Schwangerschaft oft schlimmer werden. Etwa den hemimastikatorischen Spasmus. Diese einseitigen Krämpfe des Kaumuskels sind sehr schmerzhaft. Mit Botox werden sie aber erträglich. Und wer bei solchen Leiden mit Botox behandelt wird, bei dem waren in der Regel schon alle anderen Therapien ohne Erfolg. Denn erst dann wird Botox von den Kassen erstattet. Die Frage ist daher wichtig, ob Botox für Mutter und Kind ein Risiko darstellt oder nicht.

Was sagt die Wissenschaft?

Datenlage: vorhanden aber dünn

Die Datenlage ist in dieser Frage leider mehr als dünn. Es gibt nur wenige Studien, die sich mit der Frage beschäftigen. Aber die kommen wenigstens alle zum gleichen Ergebnis: in den beobachteten Fällen traten keine Komplikationen auf. Auch, wenn die Mutter zuvor mit Botox behandelt wurde. Es kamen in allen Fällen gesunde Kinder auf die Welt.

Methodische Mängel

Leider haben diese Studien aber alle einen Haken: sie weisen methodische Mängel auf. Und sind daher nur sehr begrenzt aussagefähig. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Keine Schwangere wird sich oder ihr Kind einem Risiko aussetzen, nur um an einer Studie teilzunehmen. Das Wenige, was an Daten vorliegt, stammt daher primär von Frauen, die bereits Teilnehmer an einer Botox-Studie waren, und in deren Verlauf dann unerwartet schwanger wurden. Sie schieden zwar aus der Studie aus, wurden aber weiter bis zur Geburt und bis in die Stillzeit beobachtet. Aus solchen Einzelfällen stammen in der Regel die Daten zu Botox bei Schwangeren. Von „kontrollierten Studien“ kann da keine Rede sein. Und das mahnt auf jeden Fall zur Vorsicht. Zumal Tierversuche sehr wohl Indizien dafür lieferten, dass Risiken für den Fötus bestehen. Hersteller Allergan fasst diese Versuche im folgenden Hinweis so zusammen:

In Reproduktionsstudien an Mäusen, Ratten und Kaninchen zeigte sich bei hohen Dosierungen Embryotoxizität (verzögerte Knochenbildung und geringeres fetales Körpergewicht).

(Allergan, Fachinformation VISTABEL, Stand: 09/2018)

Viele offene Fragen

Forschung uneins

Die Forschung ist sich zudem in einer Reihe von Fragen uneins. Offen ist so zum Beispiel, ob Botox, das im Gesicht in einen Muskel injiziert wird, überhaupt in andere Körperregionen wandern kann. Und dann womöglich irgendwann in der Plazenta landet oder in den Milchdrüsen – und damit vielleicht in der Muttermilch. Oder ob nicht die Moleküle des Toxins zu groß sind, um die Plazentaschranke passieren zu können.

Die Hersteller sind vorsichtig

Selbst Botox-Hersteller Allergan muss bei solchen Fragen passen. Im Beipacktext zu VISTABEL (Markenname für kosmetisches Botox) heißt es nur:

Schwangerschaft: Es liegen keine ausreichenden Daten zur Anwendung von Botulinumtoxin Typ A während der Schwangerschaft vor. In Studien an Tieren wurde eine reproduktionstoxische Wirkung nachgewiesen. Das potentielle Risiko für den Menschen ist nicht bekannt. Es wird empfohlen, VISTABEL nicht in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, anzuwenden.

Stillzeit: Es ist nicht bekannt, ob VISTABEL in die Muttermilch übergeht. Die Anwendung von VISTABEL während der Stillzeit kann nicht empfohlen werden.

Wer auf Botox als Therapie angewiesen ist, weil sein Wohlbefinden sonst stark beeinträchtigt wäre, dem ist damit kaum geholfen. Seinem Arzt, der mit medizinischem Rat zur Seite stehen will, aber auch nicht. Auf dieser Basis kann man Patienten daher nur zur Vorsicht raten. Und im Zweifel heißt das: kein Botox.

Was sagen die Fachverbände?

Die Fachverbände raten ab

Und genau so lesen sich dann auch Empfehlungen aus Fachkreisen. Sie formulieren offizielle Positionen, auf die man sich als Arzt in der Beratung berufen kann. Und erleichtern damit die Diskussion. Denn trotz Warnhinweisen im Beipacktext: Zugelassen ist VISTABEL (wie auch alle anderen Botox-Präparate) offiziell auch bei Schwangerschaft und Stillzeit. Beide werden nicht als Kontraindikation genannt. Womit die Entscheidung beim Arzt liegt. Aber wie soll er sich entscheiden? Auf der einen Seite die schwangere Patientin, die leidet, wenn sie Botox absetzen muss. Auf der anderen Seite die Datenlage, die weder beweist noch entkräftet, dass Botox dem Baby schadet. Was ist richtig, was ist falsch?

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft äußert sich in ihrer Leitlinie sehr deutlich: Sie bezeichnet Schwangerschaft und Stillzeit als „absolute Kontraindikation“. Und geht damit über die offizielle Zulassung hinaus. Allerdings nicht ohne den Hinweis:

allerdings gibt es in der Literatur Hinweise, dass BTX-A in der Schwangerschaft zu keinen Fehlbildungen führt. Außerdem wurde eine Patientin auf Grund einer Dystonia cervicalis in 4 Schwangerschaften jeweils mit 600 U bis 1200 U Onabotulinumtoxin A ohne negative Folgen für den Fetus behandelt.

Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Botulinum-Therapie e.V. (DGBT) äußert sich etwas weniger explizit, kommt dann aber auch zu einer klaren Empfehlung:

Eine generelle Empfehlung bezüglich der Anwendung von Botulinum in der Schwangerschaft kann nicht gegeben werden. Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Botulinumtoxin-Therapie rät von einer Behandlung in Schwangerschaft und Stillzeit aus Sicherheitsgründen ab.

Meine eigene Meinung

Ich selbst schließe mich dem Rat der Fachgesellschaften an. Als Schwangere sollten Sie Botox vermeiden, wann immer es geht. Das gilt auch in der Stillzeit. Jedenfalls Botox für kosmetische Zwecke. Bei der Behandlung von echten Störungen muss man abwägen: Ist die Botox-Therapie tatsächlich zwingend oder gibt es Alternativen? Geht es um die Vermeidung starker, schmerzender Krämpfe oder schwitzender Fußsohlen? Unter Würdigung aller Vor- und Nachteile mag man dann mit dem Arzt zur Entscheidung kommen, die Behandlung mit Botox trotz Schwangerschaft weiterzuführen.

Und was ist mit Hyaluron?

Meine Meinung: tabu ab SSW1

Die Frage nach Botox bei Schwangeren wird oft gestellt, die nach Hyaluron deutlich seltener. Das Problem liegt bei Hyaluron aber ähnlich. Und auch darüber gibt es so gut wie keine sicheren Daten von Schwangeren. Immerhin: Hyaluron ist ein natürlicher Bestandteil des Körpers. Und es ist auch nicht giftig. Bei Botox ist das bekanntlich anders. Daher könnte man glauben, dass Hyaluron nicht riskant sei.

Dem ist aber nicht so. Einerseits wegen der Unterspritzung selbst. Sie birgt ja immer ein gewisses Risiko von Infektionen und allergischen Reaktionen. Andererseits wegen des Enzyms Hylase, das indirekt zum Problem werden kann. Nämlich dann, wenn gespritztes Hyaluron wegen Problemen wieder aufgelöst werden muss. Ein solches Problem könnte etwa eine allergische Reaktion sein oder auch eine Nekrose. Dafür muss man Hylase spritzen, das in der Lage ist, Hyaluron aufzulösen. Hylase wiederum ist aber bei Schwangeren kontraindiziert. Auch bei Stillenden. In einem Notfall stünde man also ohne Gegenmittel da. Oder vor der Wahl, sein Baby dem Risiko von Hylase auszusetzen. Und einen solchen Fall möchte man ja tunlichst vermeiden. Daher rate ich Schwangeren und Stillenden auch von Hyaluron mit Nachdruck ab.

Über die Autorin:

Dr. med. univ. Eva Maria Strobl ist Inhaberin der Praxis LIPS and SKIN Ästhetische Medizin in München. Sie ist ausgebildete Fachärztin für Allgemeinmedizin (MedUni Wien) und seit mehr als 10 Jahren spezialisiert auf nicht-chirurgische ästhetische Eingriffe. Sie ist Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Botulinum-Therapie e.V (DGBT), der German Society of Anti-Aging Medicine e.V. (GSAAM) und im Network Global Health. Sie publiziert regelmäßig Beiträge in ihrem Blog und auf DocCheck.

Quellen dieses Beitrags:

Sommer et al, Botulinumtoxin in der ästhetischen Medizin, Thieme
Gauglitz et al, S1-Leitlinie ästhetische Botulinumtoxin-Therapie, Link

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